Tiscali, 26. November 2001


Afghanistans Frauen befürchten trotz schöner Worte neue Unterdrückung


Was die neuen Machthaber in Kabul sagen, klingt gut: "Eines unserer Ziele war die Erneuerung der Rechte der Frauen in Afghanistan", beteuert der Innenminister der Nordallianz, Junis Kanoni. "Darüber kann ich nur lachen", meint Marina Matin vom Revolutionären Afghanischen Frauenverband (RAWA), die in einer Flüchtlingskolonie in Pakistan lebt. "Die Befreiung von den Taliban kann nicht von einer anderen Fundamentalistengruppe kommen", fügt sie hinzu.

Frauenpolitikerinnen wie sie befürchten trotz der schönen Worte neue Unterdrückung unter dem künftigen Regime in Afghanistan. "Wer wissen will, was die Nordallianz wirklich von Frauen hält, muss sich nur anschauen, was sie zwischen 1992 und 1996 gemacht hat", sagt Matin. Damals regierte Burhanuddin Rabbani, der Anführer der Allianz, in Kabul, und um die Frauenrechte stand es nach Ansicht von RAWA nicht viel besser als später unter den Taliban.

Auch die Tatsache, dass bei der Afghanistan-Konferenz in Bonn Frauen dabei sein werden, stimmt die Mitarbeiterinnen von RAWA nicht unbedingt glücklich. "Es gibt auch fundamentalistische Frauen", sagt Matin. Sie befürchtet, dass die Nordallianz Frauen nur zum Schein beteiligt. "Wir erhoffen uns allenfalls etwas von der Delegation von Sahir Schah", sagt sie, und findet es selbst merkwürdig, das gerade revolutionäre Frauen auf den im Exil lebenden Ex-König setzen.

Aber der hatte in den 60er und frühen 70er Jahren Frauen ermöglicht, zu studieren und sich westlich zu kleiden. Das wollten Fundamentalisten nicht zulassen. Rabbani, der heutige Präsident der Nordallianz, predigte damals konservative Werte. Und ein junger radikaler Islamist, Gulbuddin Hekmatjar, griff westlich gekleidete Frauen mit Säure an. Später wurde Hekmatjars Islamistentruppe vom Westen gegen die sowjetischen Besatzungstruppen aufgerüstet, und heute ist er ein wichtiger Machtfaktor für die Zukunft Afghanistans.

Am schlimmsten aber hatten die Frauen unter den Taliban zu leiden, von denen sie auf offener Straße mit Stöcken verprügelt wurden, wenn sie nicht mit der Burka, dem blauen Tschador, den ganzen Körper verschleierten, wenn sie es wagten, ohne männlichen Verwandten aus dem Haus zu gehen, wenn sie ihrem Beruf nachgehen wollten. Mädchen hatten keine Chance auf Schulbildung, Frauen durften keinen Sport treiben.

All diese Regeln will die Nordallianz abschaffen. Von wirklicher Freiheit seien Frauen aber auch dann noch weit entfernt, und außerdem regiere die Nordallianz nur die Hälfte des Landes, meint Matin. Der Druck auf die Frauen, sich zu verschleiern und zu Hause zu bleiben, werde nicht von selbst verschwinden. Die Unterdrückung der Frauen werde nicht durch den Islam und auch nicht durch die afghanischen Traditionen verursacht, meint Matin. "Die Ursache ist Unwissenheit", sagt sie, "es gilt als männlich, grob und brutal zu sein". RAWA ist in Afghanistan schon aktiv, aber nur im Untergrund, aus Angst vor Repressionen.

Auch bei den Frauen selbst sei viel Aufklärungsarbeit nötig. "Ich respektiere eine Frau, die nur im Tschador ausgeht. Aber ich denke, sie sollte die Wahl haben, das selbst zu entscheiden", sagt Matin. Gut findet sie den Schleier jedoch nicht. "Er ist einfach unpraktisch, eine Frau kann sich ohne ihn freier bewegen", meint sie. Daraus eine Grundsatzfrage von Religion oder Tradition zu machen, hält sie für unsinnig. "Auch die westliche Mode diktiert unpraktische Dinge wie hochhackige Schuhe, die die Bewegungsfreiheit einschränken, da würde ich auch sagen, verzichtet darauf", sagt Matin.

Internet: Revolutionärer Afghanischer Frauenverband





From: http://www.tiscali.de/wome/wome_center_frauen.3385759.html








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