The Revolutionary Association of the Women of Afghanistan (RAWA)
RAWA


 

 

Schwäbisches Tagblatt, September 22, 2008

Truppen raus! Die afghanische Frauenrechtlerin Zoya

Die Warlords aus der Regierung entfernen. Die privaten Armeen der Warlords und Drogenbarone entwaffnen. Alle (Kriegs-)Verbrecher vor Gericht bringen.

Dorothee Hermann

Man könnte ihr auf irgendeinem internationalen Flughafen begegnen und auf Englisch mit ihr plaudern. Doch normalerweise lebt Zoya in Afghanistan im Untergrund. Sie gehört zur Frauenorganisation RAWA, die sich dort seit 30 Jahren für Frauenrechte und Demokratie einsetzt. Zoya ist ein Pseudonym, das die 30-Jährige aus Sicherheitsgründen gewählt hat. Wie RAWA fordert Zoya den Abzug der ausländischen Truppen aus Afghanistan, "so früh wie möglich!" Das berichtete Zoya am Freitagabend rund 50 Interessierten im Schlatterhaus. Sie war auf Einladung der Linksfraktion im Bundestag und deren entwicklungspolitischer Sprecherin Heike Hänsel in Tübingen. RAWA bekommt aufgrund dieser kompromisslosen Position keinerlei offizielle Förderung und finanziert ihre Arbeit in Waisenhäusern, Schulen und Alphabetisierungskursen für Frauen allein über Spenden.

Sogar die geschwächten kleinen demokratischen Gruppierungen im Land würden laut Zoya von einem Militär-Abzug nur profitieren. "Statt vielen Gegnern haben wir dann nur noch zwei Feinde: die Taliban und die Nord-Allianz. Es wäre unser Problem, mit ihnen fertig zu werden."

Derzeit seien Truppen aus 26 Ländern in Afghanistan. "Wie lange wollen sie bleiben?" In sieben Jahren Besatzung hätten sie es nicht geschafft, demokratische Rechte im Land zu verankern. Das lasse vermuten, so Zoya, "dass sie in Wirklichkeit ein anderes Ziel verfolgen": eine dauerhafte Militär-Basis für die USA im strategischen Brennpunkt zwischen China, Iran und Turkmenistan. "Wie lange warten wir noch? Zehn Jahre oder 50 Jahre?" Für 90 Prozent der Bevölkerung würde ein Abzug nichts ändern. Tausende unschuldiger Zivilisten seien bereits gestorben. "Nur für die zehn Prozent Politiker und Reichen ist der Status Quo gut."

Trotz der Milliardenhilfe gebe es keinen Wiederaufbau. "Das Geld fließt an Warlords, Drogenbarone und an die korrupte Regierung." Der für die Bekämpfung der Korruption zuständige Beamte habe in den USA vier Jahre Haft wegen Drogenhandels abgesessen. Die fortgesetzte Zusammenarbeit der US- und Nato-Truppen sowie der afghanischen Regierung mit Warlords (teilweise im Parlamentsrang), Drogenbaronen und den Kriegsverbrechern aus den 1990er Jahren schaffe ein Klima der Rechtlosigkeit. Die Situation der Frauen sei desolat: "Sie werden entführt, vergewaltigt, zwangsweise verheiratet oder umgebracht. "Wenn sie nicht dazu gezwungen sind, die Burka zu tragen, tragen sie sie freiwillig -- aus Sicherheitsgründen."

Wenn Länder Afghanistan wirklich helfen wollten, hätten Zoya und ihre Mitstreiterinnen andere Vorschläge als eine Fortsetzung der Besatzung: "Die Warlords aus der Regierung entfernen. Die privaten Armeen der Warlords und Drogenbarone entwaffnen. Alle (Kriegs-)Verbrecher vor Gericht bringen." Die Menschen im Westen forderte Zoya auf, Druck auf ihre eigenen Regierungen zu machen, in Afghanistan nicht länger militärisch vorzugehen: "Ohne eure Hilfe und Solidarität können wir vielleicht nicht mehr weitermachen."

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