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Kampf für die Rechte der Frauen

Ein Beitrag von Claudia Caspar über RAWA


RAWA (Revolutionary Association of the Women of Afghanistan) ist eine politische und soziale Vereinigung, der 2000 afghanische Frauen als reguläre Mitglieder und noch viel mehr Frauen und Männer als UnterstützerInnen angehören. Die Grundprinzipien ihrer Arbeit sind der Kampf um Demokratie, die Einhaltung der Menschen- und Frauenrechte, die Trennung von Staat und Kirche (Säkularismus), Chancengleichheit für Männer und Frauen in der Gesellschaft und gegen Fundamentalismus jeder Art. RAWA arbeitet parteiunabhängig, sie arbeitet mit allen Kräften zusammen, die mit ihr die oben genannten Werte teilen. Und sie lehnt die Zusammenarbeit mit fundamentalistischen und antidemokratischen Kräften strikt ab. RAWA unterhält Verbindungen zu anderen pazifistischen, antifundamentalistischen und feministischen Gruppen und Einzelpersonen in Pakistan und auch in vielen anderen Ländern. Durch die Einführung des Internet hat sich ihre Arbeitsweise verändert und ihr Wirkungskreis enorm ausgeweitet.

RAWA geht es seit ihrer Gründung 1977 um eine radikale soziale Umgestaltung der traditionellen afghanischen Gesellschaft, in der Frauen noch nie und noch viel weniger in den letzten neun Jahren Fundamentalismusherrschaft, ihre Rechte verwirklicht sahen. Selbst nach Kriegsende und nach den utopisch anmutenden demokratischen Wahlen werden sie noch viel zu tun haben, um die Rechte der Frauen zu erstreiten, die Frauen in keiner Gesellschaft geschenkt bekommen. Von daher ist das R im Namen nach wie vor sehr aktuell, wenn auch um den Preis, dass RAWA nicht von Regierungen und NGOs finanziell unterstützt wird und auf Spenden und die Einnahmen aus dem Verkauf ihrer Produkte und Informationsmaterialien angewiesen ist. RAWA-Frauen erzählen augenzwinkernd, wie ihnen von der britischen Botschaft einmal ein Kuhhandel angeboten wurde: Nennt Euch nicht mehr revolutionär und wir helfen Euch. RAWA hat dieses Angebot dankend abgelehnt.

Von den 2000 Mitgliedern arbeiten 1200 illegal und unter ständiger Lebensgefahr in Afghanistan, 800 am Rande der Legalität in Pakistan. In Afghanistan werden illegale Bildungskurse für Mädchen durchgeführt, aber auch Menschen- und Frauenrechtsverletzungen dokumentiert. RAWA arbeitet mit amnesty international und Human Rights Watch zusammen. Mehrere Versuche, RAWA in Pakistan registrieren zu lassen, scheiterten an der negativen Haltung der pakistanischen Regierung, die bekanntermaßen das Talibanregime unterstützt.

In den Städten Afghanistans und Pakistans arbeiten elf RAWA-Komitees, deren Vorstände sich zwei Mal jährlich treffen und sonst per Botenbriefe miteinander kommunizieren. Dieser Rat trifft die wichtigsten Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip, ansonsten haben die Mitglieder und die einzelnen Gruppen große Autonomie bei ihrer Arbeit. Sie wissen aus Sicherheitsgründen oft nichts oder sehr wenig von den Aktivitäten der anderen. Es gibt verschiedene Sektionen, in denen unterschiedliche Aufgaben wahrgenommen werden, wie die E-mail-Sektion und die Sektion internationale Kontakte, aber auch die für Arbeit in den Schulen und Alphabetisierungskurse, in den Waisenhäusern, in den Flüchtlingslagern, in den Werkstätten, in den Ambulanzen. RAWA leistet erste Flüchtlingshilfe vor Ort, verteilt Decken und Lebensmittel. Und RAWA führt politische Bildungskurse durch, in denen Frauen und Mädchen über die politische Situation im Land und über Frauenrechte diskutieren.

Die Kosten bei RAWA werden absolut gering gehalten, ihr "Zentralbüro" in der Nähe von Islamabad ist karg möbliert, es gibt eigentlich nur Schlafmatten, Computer und jede Menge Plakate an den Wänden. Diejenigen, die ausschließlich für RAWA arbeiten, wohnen und arbeiten hier, sie bekommen keinen Lohn, sondern das zum Leben Nötige: Ein Dach über dem Kopf, Essen, Kleidung, und wenig mehr. Denn sie wissen alle, dass mit wenig Geld sehr viel für die Flüchtlinge getan werden kann. Oft sind sie tagelang in Flüchtlingslagern oder besuchen die verstreut liegenden Schulen und Waisenhäuser, um nach dem Rechten zu sehen. Andere gehen neben ihren Aktivitäten für RAWA noch einer anderen Beschäftigung nach.

Was mich am meisten beeindruckt hat, ist der Umgang von RAWA mit dem anderen Geschlecht. RAWAs Aktivitäten wären ohne die Unterstützung von vielen "men supporters" undenkbar. Diese Männer stehen ganz selbstverständlich hinter den RAWA-Frauen, arbeiten multifunktional als Fahrer, Bodyguards, Wegesicherer, Begleiter, Übersetzer, Fotographen für RAWA, schützen die Frauen bei Demonstrationen und verschwinden dafür auch schon mal in pakistanischen Gefängnissen. Sie halten sich im Hintergrund und überlassen den RAWA-Frauen den Protagonismus, so als ob das die normalste Sache der Welt wäre, dass Frauen die Akteurinnen und sie ihre stillen Helfer sind. Eine solche Haltung würde schon in unserer etwas emanzipierteren Gesellschaft bewundernswert sein, umso erstaunlicher ist sie in diesem traditionellen und stark männerdominierten Teil der Welt! Für RAWA ist es ganz klar, dass man nur mit den Männern gemeinsam die Gesellschaft verändern kann, nicht gegen sie. Und dass diese Veränderung in den Köpfen der Menschen beginnt. Dieser respektvolle und kameradschaftliche Umgang zwischen Frauen und Männern macht RAWA für mich zu etwas ganz Besonderem. Zur Illustration: Am ersten Abend trafen wir uns mit drei Frauen von RAWA, sie kamen mit einem Mann und einem kleinen Jungen, dem Sohn einer RAWA-Frau. Während wir Frauen debattierten, hielt sich der Mann die ganze Zeit geduldig und ruhig im Hintergrund und beschäftigte das Kind, bis wir fertig waren.

Sowohl die Frauen als auch die Männer um RAWA müssen sich mit Vorurteilen und dem Widerstand ihrer eigenen Familien und ihrem Umfeld auseinandersetzen. In ihren Familien ist es auch nichts Gewöhnliches, dass Frauen sich in die Politik einmischen und unter Gefahr arbeiten, statt brav zu Hause zu häkeln. Und dass die Männer für eine Frauenorganisation arbeiten, sich dafür Gefahren aussetzen und wenig zu Hause sind.

Zoya hat mit ihrer Familie im amerikanischen Exil gebrochen, weil die nicht verstehen konnte, wie wichtig ihre Arbeit für Afghanistan ist. RAWA ist ihre Familie und die von vielen Mitgliedern. Farihas Mutter ist auch RAWA-Mitglied, sie arbeitet in Afghanistan, und Mutter und Tochter haben sich schon fünf Jahre nicht mehr gesehen. Beide wissen nicht, welche Aufgaben die andere erfüllt.

RAWA-Frauen werden auch in Pakistan von Fundamentalisten bedroht und müssen oft den Wohnort wechseln, was für afghanische Flüchtlinge in Pakistan eine große Hürde darstellt. Pakistanische Vermieter fordern von ihnen überteuerte Mieten. Die RAWA-Mitglieder haben ein gut funktionierendes System zu ihrer eigenen Sicherheit, aber es ist auch für sie lästig, auf einem Weg drei Mal das Taxi zu wechseln und sich immer neue Namen und Verwandtschaftsverhältnisse zu merken, um indiskreten Fragen zu entgehen. RAWA-Frauen werden schon häufig als Prostituierte und Ungläubige beschimpft, aber das nehmen sie gelassen, sie wissen es besser.

Weiterführende Webseiten:
http://www.rawa.org/
http://www.hawca.org/
http://www.fi-nottuln.de/
http://www.rawa-germany.de/

UnterstützerInnenplattformen in Deutschland: Friedensinititive Nottuln, Aktionsbüro Afghanistan fuer-afghanistan@t-online.de

Spendenkonto:
Friedensinititive Nottuln
Sparkasse Coesfeld
BLZ 40154530
Konto 82593245

Kennwort "RAWA+Anschrift/E-mail" (für Spendenquittung oder Bestätigung von RAWA, dass das Geld angekommen ist und wofür es verwendet wurde)



http://www.ippnw.de/frieden/terroranschlag/rawa.htm



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